Populationsökologische Untersuchung an freilebenden Fischottern mit Hilfe von DNA-Analysen aus Kotproben

Fischotter

Informationen über eine zur Zeit laufende Untersuchung von Dr. Beate Kalz

Problemstellung:

Der Eurasische Fischotter (Lutra lutra L.) ist eine der seltensten und bedrohtesten Tierarten in Europa. In mehreren westeuropäischen Ländern ist die Art bereits ausgestorben oder extrem selten geworden (Heidemann 1992, Weber 1992). Doch auch in Gebieten, in denen bisher noch flächendeckende Ottervorkommen vorhanden sind, geht der Bestand zurück (Binner 1997, Rote Liste M-V 1991).

Während direkte Verfolgung durch gezielte Jagd nicht mehr vorkommt und auch die unbeabsichtigte Tötung durch Totschlagfallen und Fischreusen rückläufig ist (Stubbe 1993, Binner 1997), wird die Belastung dieser Art durch Umwelttoxine, die sich im Tier anreichern, weiterhin diskutiert (Macdonald 1995, Reuther 1992, Weber 1992).  Als wichtigste Gefährdungsursache jedoch erscheinen der zunehmende Straßenverkehr, der Ausbau von Straßen und Gewässern sowie die zunehmende Zersiedlung und intensivierte Nutzung der Landschaft durch Landwirtschaft und Tourismus (Binner 1997, Boye 1997, Dolch 1992, Henle 1999, Hertweck 1999, Müller-Stiess 1996, Nowak 1994, Stubbe 1993, Otter-Post 1994).

Andererseits hat sich in den letzten Jahren die Wasserqualität vieler Flüsse und Bäche stark verbessert. Zudem gibt es Bestrebungen, Gewässersysteme wieder zu Lebensräumen für Wildtiere umzuwandeln und bestehende Lebensräume zu vernetzen (z.B. Programm Lachs 2000, Otter Habitat Netzwerk Europa). Dadurch wäre eine Erholung der noch bestehenden Otterpopulationen zu erhoffen. Die in letzter Zeit gelegentlich gemeldete Erholung einzelner Bestände (Boye 1997, Hertweck 1999, Otter-Post 1999) ist bisher jedoch eher skeptisch zu betrachten – häufigere Nachweise können auch auf erhöhte Beachtung der hinterlassenen Spuren, verfeinerte Nachweismethoden oder auf höhere Mobilität der Tiere durch verschlechterte Lebensbedingungen zurückzuführen sein (Mühlenberg 1999). Es ist auch denkbar, daß weniger Tiere mehr markieren, um die innerartliche Kommunikation nicht abreißen zu lassen.

Gerade in Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und Sachsen, Ländern mit bisher noch mehr oder weniger flächendeckenden Fischotterbeständen, sind in den nächsten Jahren weitere, umfangreiche Ausweisungen von Siedlungs- und Gewerbegebieten sowie Neu- und Ausbaumaßnahmen an Gewässern und Straßen geplant (z.B. Neubau der Ostsee-Autobahn, Ortsumgehungsstraßen), die zunehmend eine Verdrängung des Fischotters und eine weitere Erhöhung der Mortalität befürchten lassen. In den letzten Jahren stieg der Anteil verkehrstot aufgefundener Otter z.B. in Mecklenburg-Vorpommern, dem Bundesland mit dem größten Fischottervorkommen in Deutschland, stetig an (lt. Binner [mdl.] waren es 1999 ca. 50 Tiere). Da nicht jedes überfahrene oder verletzte Tier aufgefunden wird, ist die Zahl der Verkehrsopfer noch höher anzusetzen. Bisher weiß niemand, wieviel Tiere die Population umfaßt, wie hoch die Reproduktionsrate ist und wieviel Verlust kompensiert werden kann.

Obwohl europaweit zahlreiche engagierte Forschungsprojekte zu Lebensweise, Verbreitung, Gefährdungsursachen und Schutzmöglichkeiten des Fischotters durchgeführt wurden und werden, ist der Kenntnisstand, verglichen mit dem bei anderen Tierarten, immer noch gering. Von den größeren Tierarten unserer Breiten ist der Eurasische Fischotter wohl am schlechtesten erforscht und gleichzeitig am stärksten bedroht. Trotz aufwendiger Forschungen ist über Lebensraumansprüche, Größe der Streifgebiete, saisonale Veränderungen derselben, Bedeutung einzelner Gebiete für die Fischotterpopulationen, Reproduktions- und Mortalitätsraten sowie Populationsentwicklung nur wenig bekannt. Kursierende Zahlen sind meist stark differierende Schätzungen oder Verallgemeinerungen weniger Daten, was nach den Erfahrungen bei anderen Säugetieren nicht ausreichend ist.

Bei der Seltenheit hiesiger Fischotter gibt es bisher kaum Möglichkeiten, die Populationsdichte und -dynamik des Fischotters zu bestimmen (Dolch 1992, Hertweck 1999, Reuther 1993, Otter-Post 1999, 2000). Deshalb können auch Fragen nach den Auswirkungen von Bauprojekten, Landschaftsveränderungen und Schutzmaßnahmen nicht beantwortet werden, obwohl die Bereitschaft zur Berücksichtigung der Belange von Natur- und Artenschutz zunimmt. In vielen Artikeln und Publikationen wird belegt, wie wichtig neue Methoden sind, um diese Probleme zu untersuchen und damit auch den Fischotter sowie seine wichtigsten Lebensräume besser schützen zu können (Binner 1996, Kranz 1995, Labes 1995, Rote Liste M-V 1991, Teubner 1999).

Ursache für den geringen Kenntnisstand ist nicht das fehlende Interesse oder Engagement der Bearbeiter, sondern die schlechte Eignung des Fischotters zur Anwendung der gängigen wildbiologischen Methoden (Kranz 1995). Fischotter sind nur selten zu beobachten (Henle 1999) und können optisch kaum individuell unterschieden werden, sind extrem schwer zu fangen (Behrens 1992, Sikora 1995, Vogel 1995, Otter-Post 1996) und legen in kurzer Zeit weite Strecken zurück (Binner mdl., Sjöåsen 1992, Vogel 1995), wobei in Telemetrieprojekten häufig der Funkkontakt abreißt. Außerdem sind sie für telemetrische Studien kaum geeignet, da weder Halsband noch Geschirr störungsfrei und ungefährdet getragen werden können und die Implantation von Sendern (sowie die sich daran anschließende notwendige Hospitalisierung) einen erheblichen Eingriff mit hohem Mortalitätsrisiko bedeutet (Hertweck 1999, Kranz 1995, Vogel 1995, Williams 1983, Woolf 1984).

 

Beate Kalz
Simon-Dach-Straße 9
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