Populationsökologische Untersuchung zum Waschbären in der Stadt Bad Karlshafen, Nordhessen

Waschbärprojekt 1999, Karlshafen

Die GWN startete 1999 ein Pilotprojekt (Publikationen: Voigt 2000, UFZ-Bericht) in Nordhessen, um mit Hilfe der gewonnenen Daten, effektive und langfristige Lösungskonzepte zu erarbeiten. Die Realisierung erfolgte in Zusammenarbeit mit der Universität Göttingen (Naturschutzzentrum und Institut für Wildbiologie und Jagdkunde). Dabei ging es der GWN zunächst darum herauszufinden, wie viele Waschbären in urbanen Gebieten in Europa überhaupt vorkommen können.

Ergebnisse der Studie: 

Das 33 ha große Untersuchungsgebiet, die Gartenstadt, ist im Norden vom Solling Forst und im Süden durch die Weser begrenzt. In der Zeit vom 06.09.1999 - 06.11.1999 konnten mit 30 Holzkastenfallen insgesamt 1200 Fallenkontrollen durchgeführt werden. Mit Hilfe der Fang-Wiederfangmethode wurde eine Schätzung der Populationsgröße durchgeführt. Von einigen Tieren konnten Kotproben zur Untersuchung auf Baylisascaris procyonis genommen werden.

Im Anschluß an die Fangaktionen wurde eine Umfrage unter den Anwohnern des Untersuchungsgebietes durchgeführt, um einen Überblick über die Obstbaumbestände, die Meinungslage und die bestehenden Probleme mit Waschbären zu erhalten. 

Folgende Ergebnisse konnten in dieser Arbeit erbracht werden: 

  1. Bei 75 Fängen konnten 25 Waschbären mit Mikrochips markiert und vermessen werden. Die Schätzung der Populationsgröße mit dem Petersen- oder Lincoln-Index und dem Modell Mth aus dem Computerprogramm CAPTURE ergab ein arithmetisches Mittel von 28,8 Tieren, das entspricht 109,1 Individuen auf 100 ha.
  2. Das Verhältnis zwischen adulten und juvenilen Tieren betrug 1:1,78, variierte aber erheblich in den einzelnen Fangaktionen. Das Verhältnis Männchen zu Weibchen wies einen Verteilungskoeffizenten von 1 : 2,1 auf, variierte im Gegensatz zur Verteilung der Altersgruppen während der drei Fangaktionen nur geringfügig.
  3. Im gesamten Fangzeitraum war eine allgemeine Gewichtszunahme der Tiere zu beobachten.
  4. Vor allem Privatgrundstücke wurden von Waschbären aufgesucht. Für 11 Individuen konnte mit Hilfe des Programmes TOPOL die zwischen den Fangorten eingenommene Fläche als minimales konvexes Polygon berechnet werden. Die Flächengröße der Männchen war nicht signifikant größer als die der Weibchen.
  5. Durch die koproskopische Untersuchung konnten in 12 der 15 Kotproben (80 %) Eier von Baylisascaris procyonis nachgewiesen werden.
  6. Für die Auswertung der Umfrage standen die Angaben von 119 Grundstücken und deren Bewohner zur Verfügung. Die grundsätzliche Einstellung der Bewohner zum Waschbären war positiv, nur 8,5 % der Bewohner fühlten sich durch die Tiere gestört. 47 Grundstücksbesitzer gaben an, schon einmal Fraßschäden durch Tiere festgestellt zu haben.

Am Beispiel von Bad Karlshafen konnte gezeigt werden, daß der Waschbär auch in Deutschland Stadtgebiete erfolgreich zu nutzen weiß. Die in dieser Untersuchung gefundene Populationsdichte muß jedoch mit Vorbehalt bewertet werden, da sie im Falle der Gartenstadt als eine lokal und zeitlich begrenzt auftretende Größe gesehen werden kann. Die Waschbären nutzen dieses Gebiet aufgrund des hohen Obstbaum-angebotes und der fehlenden Schlafhöhlen auschließlich in der Nacht zur Nahrungs-suche. So wird auch nicht in allen Teilen der Stadt und nicht das ganze Jahr über die gleiche Dichte erreicht.

Die Relevanz des Waschbären als Überträger von B. procyonis sollte nicht unbeachtet bleiben. In Stadtgebieten besteht ein erhöhtes Infektionsrisiko, da es hier zu Kontakt zwischen Mensch und Waschbär kommen kann. Hier wäre eine Aufklärung der Betroffenen über die möglichen Gefahren wichtig.

Weitere Untersuchungen in anderen betroffenen Städten sollten sich anschließen, um genaue Aussagen über die Ausmaße der Urbanisierung des Waschbären in Deutschland und die damit auftretenden Probleme machen zu können. In diesem Zusammenhang wäre auch eine bessere Information über das Verhalten von Waschbären und den Schutz vor Schäden durch diesen Kleinbären wünschenswert. Nur so wird ein konfliktarmes Nebeneinander von Mensch und Waschbär möglich (Text aus Voigt 2000).

 zurück zu Projekten