Zum Forschungsstand im autochtonen Verbreitungsgebiet - Amerika

Im Bereich des amerikanischen Verbreitungsgebietes ist der Waschbär, wie sollte es auch anders sein, gut bis sehr gut untersucht (Lotze & Anderson 1979; Kaufmann 1982; Sanderson 1987). Das wissenschaftliche Interesse gründet sich dort im wesentlichen auf seine enorme (ökonomische) Bedeutung als Pelzträger und Jagdwild (Sanderson 1987) sowie, in jüngster Zeit, auch auf seine Bedeutung als Krankheitsüberträger (Krebs et al. 1996).

    Zur Verbreitung

Zwischen Südkanada und Panama kommt der Waschbär flächendeckend vor. Er fehlt lediglich in Hochlagen oberhalb 2000 m und in deckungslosen Prärie-, Wüsten- und Küstengebieten (Kaufmann 1982). Sein Verbreitungsschwerpunkt liegt östlich der großen Prärieebenen auf dem Territorium der U.S.A. (Sanderson 1987).

    Zur jüngsten Geschichte

Anfang des Jahrhunderts wurde der Waschbär in Amerika aufgrund seines wertvollen Pelzes stark verfolgt. Viele Populationen erreichten deswegen in den 30er Jahren einen Tiefstand (Sanderson 1951 & 1987). In den 40er Jahren konnte jedoch wieder eine allgemeine Bestandeszunahme und sogar eine Arealerweiterung des Waschbären verzeichnet werden (Sanderson 1951 & 1987; Lynch 1971; Houston & Houston 1973; Fritzell 1982). Nach Sanderson (1951) sind für diese Trendwende der nachlassende Jagddruck während der Kriegsjahre, veränderte Jagdzeiten und gezielte Aussetzungsaktionen verantwortlich. Heute hat der Waschbär aufgrund fallender Pelzpreise als Jagdwild und Wirtschaftsfaktor an Bedeutung verloren. "Coon-hunting" erfreut sich aber nach wie vor großer Beliebtheit.

    Zum Lebensraum

Nach Stuewer (1943) kann der Waschbär überall dort angetroffen werden, wo neben Nahrung auch Gewässer und Baumhöhlen zur Verfügung stehen. Nach Kaufmann (1982) ist der Waschbär ein typisches und stetiges Faunenelement der Sumpf- , Au- und Mangrovenwälder. Trockenere Laubwälder, soweit sie Nahrung und Unterschlupf bieten, werden allerdings auch besiedelt. Die allgemeine Vorlieben des Waschbären für Baumhöhlen als Tagesverstecke ist unumstritten (Whitney & Underwood 1952). Ansonsten nutzen Waschbären in manchen Gebieten auch unzugängliche Felsenhöhlen oder Erdbauten als Unterschlupf (Giles 1942; Butterfield 1954; Dorney 1954, Mech et al. 1966).

Unter natürlichen Bedingungen ernährt sich der omnivore und opportunistische Waschbär in erster Linie von Früchten und Wirbellosen (Kaufmann 1982). Lokal können auch Vertebraten als Beutetiere eine gewisse Bedeutung gewinnen (Dorney 1954). In landwirtschaftlich geprägten Habitaten sind oftmals Kulturfrüchte, vor allem Mais (Zea mays), die wichtigste Futterressource (Ellis 1964; Rivest & Bergeron 1981).

    Zur Populationsdichte

Die niedrigsten Populationsdichten mit 0,5 bis 3,2 Individuen / 100 ha finden sich in den landwirtschaftlich geprägten Präriegebieten Nord Dakotas und Manitobas (Cowan 1973; Fritzell 1978). Messungen in Wald- und Sumpfgebieten im Mittleren Westen und in den Oststaaten ergaben zumeist Werte von 10 bis 20 Individuen / 100 ha (Kaufmann 1982; Sanderson 1987, Gehrt 1994).

Die Aktionsraumgrößen adulter Waschbärrüden schwanken je nach Untersuchungsgebiet zwischen 486 bis 2560 ha in den Präriestaaten (Fritzell 1978; Lehman 1984) und zwischen 88 bis 339 ha in südlicheren und waldreicheren Gebieten (Urban 1970; Johnson 1970; Glueck et al. 1988; Gehrt & Fritzell 1997). Adulte Fähen haben meist zwei bis viermal kleinere Aktionsräume als adulte Rüden (Gehrt & Fritzell 1997).

    Zum Sozialverhalten

In Bezug auf die soziale Raumorganisation werden für diese Tierart sehr unterschiedliche Angaben gemacht. Viele Autoren betrachten den Waschbär als nicht exklusiv territorial (Stuewer 1943; Sharp & Sharp 1956; Seidensticker et al. 1988). Barash (1974) und Ough (1982) postulieren sogar eine Dominanzhierachie unter benachbarten Waschbären, machen aber sonst keine weiteren Angaben über ein mögliches Sozialsystem. Im Norden des Verbreitungsgebietes, in Nord Dakota, wo Populationsdichten von 0,5 bis ein Individuum / 100 ha vorherrschen, beobachtet Fritzell (1978) allerdings eine solitäre Lebensweise bei adulten Waschbärmännchen. Sie leben in äußerst weiträumigen Territorien. Dabei umschließen die Territorien der Männchen die Lebensräume von ca. zwei bis drei Weibchen. Im subtropischen Texas und bei Dichten von 4 bis 12 Individuen / 100 ha bilden Waschbärmännchen Gruppenterritorien (Gehrt 1994). In einer Gruppe, die von Gehrt "male-social-group" genannt wird, können bis zu sechs Männchen zusammenleben. Noch ist dieses Verhalten nicht hinreichend verstanden. Es ist dabei anzumerken, daß in Deutschland, im Rahmen einer Feldstudie, ebenfalls Männchengruppen festgestellt wurden.

Fest steht: Die sozioethologische Omnipotenz des Waschbären scheint ebenso Ausdruck der enormen ökologischen Anpassungsfähigkeit dieser Tierart zu sein wie dessen bisher wesentlich besser untersuchte Omnivorie.

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